Jolanda Spiess

Persönlichkeitsverletzungen sind kein Geschäftsmodell

Cyberstalker nach jahrelangem Nachstellen verurteilt

Das Bezirksgericht Hinwil hat sein Urteil gefällt: die jahrelangen Belästigungen eines 48-jährigen Zürcher Oberländers in Form der Veröffentlichung tausender Kommentare und Blogposts über mich sind Stalking. Mehr noch: Auch die Kontaktaufnahme mit meinem privaten und beruflichen Umfeld mit unzähligen vermeintlich anonymen Fakeaccounts zwecks Anschwärzungen und Verleumdungen werden vom Gericht als Stalking festgemacht:

Nicht nur aufgrund der Anzahl und Häufigkeit der Posts, sondern auch aufgrund des Vorgehens des Beklagten sowie des Inhalts der Posts ist gesamthaft von einem eigentlichen Nachstellen im Sinne von Stalking auszugehen.”

Das ist – soweit bekannt – das erste Urteil in der Schweiz, welches Cyber-Stalking – also das ungebetene, zwanghafte Nachstellen und Belästigen im digitalen Raum – als Persönlichkeitsverletzung festmacht.
Im Urteil heisst es, dass hier mit Stalking nicht bloss das direkte Belästigen gemeint ist, sondern vielmehr auch das anonyme, kampagnenmässige Anschwärzen gegenüber Drittpersonen umfasst. Dies bedeutet, dass dieses Urteil gerade für Personen der Öffentlichkeit Signalwirkung hat.

Und für mich heisst dies konkret, dass die vom Stalker tausendfach und flächendeckend geäusserte Falschbehauptung gegenüber Drittpersonen, Institutionen, Journalist:innen und meinem beruflichen Umfeld bei #NetzCourage, ich hätte einen Zuger Kantonsrat der Vergewaltigung bezichtigt und somit falsch beschuldigt, nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt und stets persönlichkeitsverletzend war. Dies, auch wenn ich inzwischen zur Person der Öffentlichkeit gemacht worden bin.

Dieser Prozess wurde erst durch eine äusserst belastende, zeitintensive, digitalforensische Dokumentation möglich, welche mich viel Kraft gekostet hat. Fr. 2000.– Genugtuung und einen kleinen Teil der Anwaltskosten zurückerstattet zu bekommen, macht dies natürlich nicht wett. Wertvoll macht es die juristische Tatsache, dass ich mit diesem Landmark-Urteil ein Werkzeug für ein Problem schaffen konnte, welches in unserer Gesellschaft rasant an Gewicht zunimmt.

Aus dem Urteil vom 06. Juli 2023 (FV220020-E / U01), Seite 26 :

“Aus dem Umstand, dass die Kritiker der Klägerin – respektive der Beklagte selbst – sie durch ihr Verhalten nicht zum Schweigen bringen konnten, kann der Beklagte nichts zu seinen Gunsten ableiten.”

Weiterer Stalking-Prozess gegen “Porno-Blogger” im August

Am 14. August 2023 kommt es zur Zivilverhandlung i.S. “Shameleaks”. Ein “anonymer” Blog, auf welchem unter anderem Pornocollagen mit meinem Kopf, ein erfundenes Interview mit meinem Mann und gegen 250 Blogbeiträge veröffentlicht wurden, grösstenteils abwertend, ehrverletzend, verleumderisch und auf mich bezogen. Einer der beiden Betreiber dieses Blogs und somit erneut vor Gericht steht der 48-jährige Zürcher Oberländer. Dieser gab seine Beteiligung am “anonymen” Blog zu. Eine Hausdurchsuchung und die Auswertung diverser Festplatten ergaben eine erdrückende Beweislast, welche durch das Ergebnis eines internationalen Rechtshilfegesuchs abgerundet wurde. Die beiden Betreiber dieses Blogs sind – auch wiederum mit Fakeaccounts – gut vernetzt mit einschlägigen Medien und nützen jede Möglichkeit, mein Ansehen in der Öffentlichkeit oder gegenüber meinem privaten oder beruflichen Umfeld zu schädigen. 

Die Urteile gegen Cyberstalking sind deshalb so wichtig, weil bis heute die Gesetzgebung auf analoges, physisches Nachstellen ausgerichtet ist, auf welches man polizeilich etwa mit Rayonverboten reagiert. Digitales Stalking ist eines der schnellstwachsenden gesellschaftlichen Problemfelder. Betroffen sind private Personen, immer öfter aber auch Personen des politischen oder des öffentlichen Lebens.

Der Verein #NetzCourage setzt sich aktiv für Opfer Digitaler Gewalt ein.

Artikel über denselben Fall im Zürcher Oberländer, 13. Juli 2022

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