Pitch-Night tsüri.ch vom 12. April 2022
Guten Abend.

Sie kennen mich. Sie kennen meine Geschichte. Sie sind heute hier, weil Sie meinen Namen auf dem Line-Up gesichtet haben. Oder vielleicht sind Sie trotzdem hier.
Über mich wurden in den letzten Jahren tausende Zeitungsartikel mit geringem Wahrheitsgehalt geschrieben. Blick allein schrieb gegen 200 Artikel, ohne mich je gefragt zu haben, ob ich damit einverstanden bin. Einverstanden, dass man sich über mein intimstes Trauma auslässt, spekuliert, die morgendlichen Pendler:innen damit bespasst, mich zu verleumden, und auch mit meinem Namen Millionen zu verdienen. Es waren Millionen. Der Schweizer Boulevard hat ein mutmassliches Sexualdelikt vermarktet, ausgebeutet, Menschen versucht zu vernichten und hat damit sehr viel Geld verdient.

Im Blick stand geschrieben, ich sei schon zwei Tage vor der Landammannfeier an einer Party gewesen und dem späteren Beschuldigten da schon sehr nahe gekommen, «der Funke sprang», Techtelmechtel.
Doch ich war nie an einer solchen Party, ich war zuhause bei meiner Familie.
In der Weltwoche stand geschrieben, mein Mann sei mitsamt den 3 Kindern ausgezogen.
Doch meine Familie und ich waren uns so nah wie noch nie.
Es stand geschrieben, ein Zeuge hätte meinem Mann in dieser Nacht aufs Handy angerufen und ihm erzählt, ich sei gerade mit einem anderen Mann im Separée.
Doch mein Mann hatte damals kein Handy und auch aufs Festnetz kam kein Anruf.
In der Weltwoche stand geschrieben, mein Mann hätte mich wohl deshalb unsanft empfangen damals in dieser Nacht, er sei der Grund für meinen Spitalaufenthalt gewesen.
Doch ich ging ins Spital, weil ich starke Unterleibsschmerzen hatte, keine Erinnerung trotz normalem Konsum und meine medizinische Integrität von Fachpersonen überprüfen lassen wollte.
Im Blick wurde mein Mann «der Gehörnte» genannt, der damalige Beschuldigte im Sexualstrafverfahren nannte Blick «der Lover».
Das alles stand in der Zeitung und wurde bis heute nicht korrigiert.
Eine Tagesanzeiger-Journalistin nannte das mutmassliche Sexualdelikt «Techtelmechtel», «Quickie» und ich hätte zuviel «gebechert». Das schrieb sie, ohne mit mir gesprochen zu haben. Dass ich meine Geschichte publik gemacht hätte, schade allen Frauen, schrieb sie.
Dabei hab ich gar nichts publik gemacht. Ich war wohl jene Person, welche am wenigsten wollte, dass mein innerstes Trauma öffentlich diskutiert wird.
Man weiss bis heute nicht, wer mit der Boulevardpresse gesprochen hat. Es musste jemand aus dem Spital oder von der Polizei gewesen sein. Man hat das nie untersucht. Im Tages-Anzeiger stand geschrieben, ich müsse beweisen können, dass ich in dieser Nacht ausser Gefecht gesetzt wurde, sonst sei ich unglaubwürdig. Eine klassische Beweislast-Umkehr.
Für die Medien gab es von Beginn an nur zwei Möglichkeiten: entweder lügt er oder sie. Bereits bei meiner ersten Befragung bei der Polizei gab ich zu Protokoll, von was ich bis heute überzeugt bin: da war eine Drittperson. Wir beide wurden ausser Gefecht gesetzt.
Durch dieses medienorchestrierte Gegeneinander-Ausspielen wurde mir aber die Möglichkeit genommen, diesen Fall aufzuarbeiten. Strafuntersuchungsbehören konnten ihre Arbeit nicht richtig machen, Zeugen wurden zum Spielball der Medien, bevor sie überhaupt befragt wurden.

Aber das war erst er Anfang. Zehntausende Beschimpfungen, Demütigungen, Drohungen, wahlweise Vergewaltigung oder Mord.
Unser Freundeskreis hat sich halbiert. Ich verlor das Vertrauen in die Gesellschaft.
Ich war ausgebrannt, depressiv, kämpfte gegen eine posttraumatische Belastungsstörung, wurde 1 ganzes Jahr krankgeschrieben, war suizidal.
Hartnäckige und eklige Stalker lassen mich bis heute nicht in Ruhe und melden sich seither noch immer täglich.
Was würden Sie tun?
Auswandern?
Von der Brücke springen?
Oder einfach schweigen.
Warten, bis Gras drüberwächst.
Das haben mir alle geraten. Dabei hatte ich nicht das geringste Interesse daran, dass über diese Ungerechtigkeit auch noch Gras wächst.
Ich wollte mich wehren.
Ich wollte den Platz, welchen mir die Gesellschaft und Medienschaffende zugwiesen haben, nicht einnehmen. Ich weigerte mich, ein Opfer zu sein.

So gründete ich den Verein #NetzCourage.
Es ist die Organisation, welche mir damals gefehlt hat.
Ein Schutzschild, ich wollte über den Hass sprechen und aufarbeiten.
Jährlich unterstützen ich und meine drei Mitarbeiter:innen hunderte Betroffene von Digitaler Gewalt. Wir bauen die Menschen, welche von rücksichtslosen Medienschaffenden und von Wutbürgern gejagt werden, wieder auf, bewahren sie vor dem Rückzug, nehmen ihnen die Administration ab, recherchieren, dokumentieren und unsere Juristin macht ganz spezifische Rechtsberatungen.
Alles kostenlos.
Die Tagi-Journalistin nannte dies auf Twitter: «Ego-Projekt im Gewand des Gemeinnützigen».

Dass ich heute noch da bin und noch immer laut meine Rechte gegenüber dem Ringier-Verlag einfordere oder gegenüber Tamedia verteidige, hat bereits jetzt Auswirkungen. Die Titelsetzung bei Sexualdelikten stimmt meistens, und bei Blick sind die Frauen sind nicht mehr auf Seite 3 zu finden, sondern in der Chefetage.
Und das ist gut so.
Und wenn ich mit dem Prozess um Gewinnherausgabe ein Urteil erkämpfen kann, gibt es endlich verbindliche Zahlen, welche zeigen werden, für wieviel Geld Medienhäuser Persönlichkeitsverletzungen begehen.
Das Präzedenzurteil könnte einen Systemwechsel bedeuten.
Wie wichtig der Prozess ist, zeigt sich am Verhalten der Player in der Branche, welche von einem Urteil möglicherweise hart getroffen würden:
Die drehen gerade alle durch.
Und dass sich nun auch noch Branchenführerin Tamedia an mir abarbeiten muss: Es ist kein Zufall, dass Rutishauser mit dem ganz grossen Geschütz aufgefahren ist und letzten Sommer auch noch #NetzCourage frontal angriff, also meine zweite Existenz, welche ich mir nach der ersten Rufmordkampagne wieder aufbauen musste.
Innert weniger Tage feuerte das grösste Medienhaus der Schweiz 9 Artikel über #NetzCourage und mich in Tagesanzeiger, 20Minuten, Sonntagszeitung, BaZ und in den Berner Erzeugnissen ab. Da wurde mir unterstellt, ich verherrliche Gewalt, ich bestelle Hacker, um unliebsame Journalist:innen still zu machen, Rutishauser machte sogar einen Nazivergleich. Das alles, ohne mit mir gesprochen zu haben.
Ja gut. Dass muss Rutishauser selber wissen, ob sich das für ihn persönlich lohnt. Diese Attacken hatten jedenfalls zwei Presseratsbeschwerden zur Folge, ich bin gespannt.
Und die Tagi-Journalistin, welche auch noch ein Buch über mein Trauma schreiben will, tauscht sich nun mit meinen Stalkern aus, Vorbestrafte, gegen die ein Kontakt- und Rayonverbot verhängt wurde. Sie versorgte diese nachweislich mit Gerichtsdokumenten und stützte sich in neueren Artikeln über mich auf deren Aussagen. Die Gerichtsunterlagen befinden sich nun auf demselben Verleumdungsblog, auf welchem auch Pornocollagen anzuklicken sind.
Nackte Körper, mit meinem Kopf drauf.
Tamedia, als der grösste Schweizer Medienkonzern, ist vor allem eines:
Absolut verantwortungslos.

Das ist mein Blick auf den Verlags-Journalismus in der Schweiz von heute und ihr versteht, dass ich meine Heimat bei der Republik, Bajour, Zentralplus, das Lamm oder Tsüri gefunden habe.
Und dass nichts an einem Gewinnherausgabeurteil vorbeiführen kann.
Alles andere wäre verantwortungslos.
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